Σάββατο 13 Ιουλίου 2013

Politisches Rahmenkonzept gegen Rassismus



Sind Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Rahmen einer liberalen Demokratie möglich? Um welche Demokratie handelt es sich, die nicht sogar den Leugnern der Erinnerung an den Holocaust gestatten würde, ihre „Amnesie” zu äußern, welchen Motiven auch immer sich die Verdrängung oder Fälschung dieser Erinnerung verdankt? Vassiliki Georgiadou kommentiert den Entwurf des derzeit kontrovers diskutierten griechischen Antirassismus-Gesetzes auf dem Hintergrund historischer Erfahrungen. 

Veröffentlichung in "Politik und Gesellschaft" vom Goethe-Institut in Athen
http://www.goethe.de/ins/gr/lp/kul/dug/pok/dgr/de11261821.htm


Am 12. Mai 1991 lud der Bezirksverband München-Oberbayern der extremistischen, pronazistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zu einer Veranstaltung über das Thema „Deutschlands Zukunft im Schatten politischer Erpressung?“ ein, bei der als Hauptredner der bekannte Holocaust-Leugner David Irving auftreten sollte. Die Veranstaltung war im Parteiblatt mit der Bemerkung angekündigt worden, der Redner werde zu der Frage Stellung nehmen, ob die Deutschen weiterhin „Zeitgeschichte als politisches Erpressungsinstrument dulden“ sollten. Da seitens der Behörden vermutet wurde, dass es bei der Veranstaltung zu Straftaten kommen würde, hatte die Stadt München zumutbare Auflagen für die Durchführung der Versammlung erstellt, die den Straftatbestand der Leugnung oder Anzweifelung des Holocaust seitens der Veranstalter und ihrer Gäste betrafen.

Der juristische Meilenstein des deutschen Bundesverfassungsgerichts

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1BvR 23/94/13.4.1994) zur Beschwerde der NPD gegen den Bedingungsrahmen für die Durchführung der Veranstaltung stellt einen Meilenstein dar und liefert europaweit Richtlinien für gesetzliche Regelungen bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Unter anderem heißt es in diesem Beschluss:

„Die Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet ... (sie) unterliegt den Schranken, die sich aus dem Grundgesetz und den allgemeinen Gesetzen ergeben ... die Meinungsfreiheit (beansprucht) keineswegs stets den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz. Vielmehr geht bei Meinungsäußerungen, die als Formalbeleidigung oder Schmähung anzusehen sind, der Persönlichkeitsschutz der Meinungsfreiheit regelmäßig vor ... Bei der untersagten Äußerung, daß es im Dritten Reich keine Judenverfolgung gegeben habe, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die nach ungezählten Augenzeugenberichten und Dokumenten, den Feststellungen der Gerichte in zahlreichen Strafverfahren und den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft erwiesen unwahr ist. Für sich genommen genießt eine Behauptung dieses Inhalts daher nicht den Schutz der Meinungsfreiheit“.

Sind jedoch Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Rahmen einer liberalen Demokratie möglich? Um welche Demokratie handelt es sich, die nicht sogar den Leugnern der Erinnerung an den Holocaust gestatten würde, ihre „Amnesie“ zu äußern, welchen Motiven auch immer sich die Verdrängung oder Fälschung dieser Erinnerung verdankt? Persönlich erschiene mir als „demokratische Hölle“ ein System, in dem jede verbale Assoziation bedingungslos in die gesellschaftspolitische Sphäre losgelassen wird. Bevor wir uns einem Vorwurfsgewitter gegen die Beschränkungen der Meinungsfreiheit (sogar bei Extremvokabular) aussetzen, geben wir zu, dass grundsätzlich die Beschränkungen der Rede- und Meinungsfreiheit aus derselben Wurzel stammen wie diese Freiheit selbst, insofern wir jedes Mal, wenn wir etwas überlegt oder spontan äußern, uns dafür entscheiden, etwas anderes nicht zu sagen bzw. nicht zu schreiben, und dies aus persönlichen Gründen oder solchen, die mit unserem Umfeld in Zusammenhang stehen.

Die Grenzen zwischen Rede und Praxis sind vorhanden, zugleich jedoch durchlässig. Wer das „Notizbuch“ von Viktor Klemperer gelesen hat (als Buch erstmals 1947 unter dem Titel “Linguae Tertii Imperii” erschienen), in dem die Sprache der Nationalsozialisten analysiert wird, begreift das hochdramatische Motto des Buchs „Sprache ist mehr als Blut“. Die Sprache war das „stärkste“ Wirkmittel der Nazis: Eine „Sprachgift“, das nicht nur die getreue Gefolgschaft des Führers durchdrang, sondern auch die Gleichgültigen, ja sogar die Gegner. Entsprechendes gilt auch für die Sprache der Extremisten: trotz ihrer expressiven Kärglichkeit, vielleicht sogar deswegen, „umzingelt“ sie und „kesselt ein“.

Die Zeit drängt: Gesetz gegen pronazistischen Extremismus

Das Gesetz gegen den Rassismus, entworfen vom griechischen Justizministerium, hat einen Sturm an Reaktionen hervorgerufen; der darin aufgeführte Begriff „Feindseligkeit“ sei unklar, insofern er von rassistischen Diskriminierungen abgelöst und mit breiteren Formen politischer Gegnerschaft verbunden werden könne. Anderen Stimmen zufolge würde mit dem Inhalt dieser Gesetzesvorlage die Meinungsfreiheit verletzt und die freie politische Betätigung bedroht. Die Einsprüche sind bis zu einem Punkt nachvollziehbar und die Schwachstellen sollten nachgebessert werden. Das neue Gesetz gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kann als Hauptzweck nur verfolgen, dem Phänomen des pronazistischen Extremismus entgegenzutreten. Es handelt sich nicht um eine Vergeltungsaktion auf historischem Hintergrund; daher geht es nicht darum, den Problemen des rechten Extremismus in Entsprechung zu denen des linken Extremismus entgegenzutreten. Auch werden dadurch keine erweiterten Regeln für politisch korrekte Haltungen geschaffen. Die Zeit drängt. Der pronazistische Extremismus kesselt die Gesellschaft ein. Die Mittel der Umzingelung (darunter das Vokabular und die Symbolik) sind keine leeren Signifikanten, so dass man gegenüber denen, die die Demokratie unterminieren, in aller Strenge Position beziehen muss. Zugleich darf dies nicht nur auf der Ebene von Gesetzen und deren Durchsetzung geschehen. Es muss durch Maßnahmen politischer Erziehung und Bildung ergänzt werden. In diesem Bereich ist das griechische politische System leider hoffnungslos im Rückstand.


Erstveröffentlichung in: To Vima, 19. Mai 2013

Übersetzung: Andrea Schellinger

Copyright: Vassiliki Georgiadou und Goethe-Institut Griechenland

Juni 2013